JÄÄRÄPÄÄT

Das Ä und Ö der finnischen Folkmusik
 
Zeitungsartikel
SCHWÄBISCHES TAGBLATT 02.03.2003

Nordische Harmonien

TÜBINGEN. Der Bogen streicht so langsam über die Saite, als solle den Tönen Zeit gegeben werden, sich auch im letzten Winkel des Kellergewölbes festzusetzen. Behutsam setzt ein Akkordeon seine Begleitung dazu. Und über diese melodisch-melancholische Musik, über diese Takte voller Sehnsucht legt sich eine Stimme wie aus, na ja, auch wenn‘s jetzt vollends kitschig klingt, wie aus Märchentagen: klar, hell, sanft, schmelzend, innig – Typ gute Fee halt.

Aber die Sängerin Laura Ryhänen, mit ihren langen blonden Haaren eine perfekte Verkörperung dieser Rolle, transportiert am Freitagabend ja tatsächlich die Vorzeit in das Untergeschoss des "Fairen Kaufladens": mit Versen aus dem finnischen Nationalepos Kalevala.

Laura Ryhänen ist als Au-pair-Mädchen nach Tübingen gekommen, hängen geblieben und hat dem Mangel an finnischem Folk hier durch die Gründung von Jääräpäät entgegengewirkt, zusammen mit zwei Tübingern, dem Geiger Bernhard Mohl und dem Akkordeonspieler Christian Ther. An diesem Freitagabend hatte das skandinavisch-schwäbische Trio seinen ersten Auftritt überhaupt vor gut 70 Zuhörenden.

Die Finnen lieben ihre Volksmusik, halten selbstbewusst zu ihr als Herzstück ihrer Kultur.Wenn das in Deutschland eine etwas befremdliche Haltung ist, wenn der internationale Musikgeschmack wenig Rücksicht darauf nimmt, dann muss man eben dagegen ansingen als Dickschädel – das heißt das Wort mit den fünf Ä und dem rollenden R.

Volksmusik, auch wenn sie sich aus dem Nationalepos speist, ist nichts arg Verkopftes. Meistens ging es, Laura Ryhänen hatte die Hände passend über dem Herz gekreuzt, um die Liebe. Die kecke, die verzweifelte, die sich nicht entscheiden könnende: "Heirate keinen Schönen, er wird nur sich selbst lieben. Heirate keinen Hässlichen, er wird stets nur eifersüchtig sein. Heirate keinen Klugen, er wird es dich spüren lassen. Heirate keinen Dummen, er wird dich langweilen. Heirate, und du wirst deine Freiheit verlieren. Heirate nicht, und du wirst einsam sein."

Das sind jetzt sicher keine neuen Erkenntnisse, genauso wenig wie die Liedzeile "Der Himmel ist blau und weiß". Das Publikum faszinierte eher die musikalische Umsetzung, diese Hymnen voller Harmonien, diese Wohlfühl-Weisen, mal getragen, mal im Polka- oder Walzer-Rhythmus, und all das überstrahlt von Laura Ryhänens Stimme voller Seele. Einmal schwieg sie, ganz passend zu einem Begräbnisstück, das ihre Mitmusikanten in einem so meditativen Moll spielten, dass es im Keller fast so andächtig wie in einer Kirche wurde. Um so enthusiastischer war der Beifall am Ende des Konzerts.
PFORZHEIMER ZEITUNG 13.11.2003

Das Trio "Jääräpäät" überzeugte mit augenzwinkernder musikalischer Ironie

Fein akzentuierter Finnen-Folk

PFORZHEIM. Wer geglaubt hatte, dass ein schwäbisch-finnisches Zusammenspiel nur in einem "Silberpfeil" harmonisch funktioniere, musste sich im Folk-Club Prisma am vergangenen Dienstagabend eindeutig eines Besseren belehren lassen: Die flachsblonde finnische Sängerin Laura Ryhänen und die beiden Tübinger Musiker Bernhard Mohl (Geige) und Christian Ther (Akkordeon, Gitarre) wussten mit mollverlieb-ten Melodien aus dem Land der tausend Seen zu überzeugen, unabhängig davon, ob sie gerade ein sanftes Wiegenlied oder einen erstaunlich lebhaften Beerdigungsmarsch darboten. Und dabei fand das ungewöhnliche Trio erst vor ungefähr einem Jahr zusammen und musiziert seither unter dem eigenwilligen Namen "Jääräpäät" - "Dickköpfe". Die Vermutung liegt nahe, dass es nicht gerade wenig Beharrlichkeit braucht, um gegen den gängigen, vielleicht sogar einseitigen Musikgeschmack "unplugged" anzusingen und sich - ausgerechnet - mit finnischer Traditionsmusik ein Stammpublikum erobern zu wollen. Das Zeug dazu hätten Jääräpäät allemal: Geige und Akkordeon umschmeicheln die glockenhelle, wohl tuende Stimme Laura Ryhänens in kurzweiligem Wechselspiel, mal im Walzer-, mal im Polkatakt, aber beständig in bittersüß melancholischer Grundstimmung und gewürzt mit einer gehörigen Portion augenzwinkernder Ironie. Die Texte handeln fast ausschließlich von großen Gefühlen, von Erinnerungen und allzu menschlichen Ängsten und - natürlich - von ausweglos unglücklicher Liebe. Gegen Konzertende übersetzte Laura Ryhänen die Botschaft eines Liebeslieds salopp ins Deutsche: "Heirate keinen Schönen, der wird dich nicht beachten - und du leidest. Heirate keinen Hässlichen, da bekommst du nur Albträume - und leidest. Heirate keinen Klugen, du wirst dir neben ihm dumm vorkommen - und leidest. Heirate keinen Dummen, mit dem wirst du dich nur schämen - und du leidest". Als sie mit, "heirate, und du wirst deine Freiheit aufgeben - und leidest; heirate nicht, und du bleibst einsam", fortfährt, kräht es aus dem Saal: "Und du leidest".

Ohne hier und jetzt final klären zu wollen, ob den Finnen nun das Leid an sich oder die "Vorfreude" darauf seelisch näher ist, Die "musikalische Ehe" der Skandinavierin und der beiden Tübinger hätte erheblich mehr Zuhörer verdient gehabt, als sich zum Prisma-Konzert im Bottich eingefunden hatten. Hörenswert sind Wiegenlieder mit (freilich nur für uns) so unaussprechlichen Titeln, wie "Huutolaistytön Kehtolaulu" und so witzige Songs, wie "Minun Kultani", bei dem Geige und Akkordeon lachende Pferde vertonten, das mehrstimmige Liedchen "Aamulla Varhain" und der als Zugabe vorgetragene Rausschmeißer "Varjele" allemal!
Robin Daniel Frommer
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